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Das „Adeste, fideles“ in der frühesten erhaltenen Handschrift aus dem Frankreich des Jahres 1751, niedergeschrieben von einem englischen Katholiken im Exil (Foto: Wikipedia).

Adventskalender 24.12.

Wenn am Heiligabend die Christmette beginnt, stimmen Gläubige auf der ganzen Welt das „Adeste, fideles“ an, das feierlichste Lied zur Begrüßung des Heilands auf Erden.

„Adeste, fideles“ in Paris, Rom und London

von Karl Böhmer

Am 24. Dezember 2024 hat das „Adeste, fideles“ in zwei Kathedralen Europas eine ganz besondere Bedeutung: In Notre-Dame feiern die Pariserinnen und Pariser ihr erstes Weihnachten in der Kathedrale nach dem großen Brand vom April 2019. Im Petersdom zu Rom eröffnet Papst Franziskus das Heilige Jahr. Derweil schmettern die Londoner in Westminster Abbey wie eh und je die englische Übersetzung „O Come, All Ye Fathful" – nicht ahnend, dass sich dahinter vielleicht ein Stück komponierter Rebellion verbirgt.

„Adeste, fideles“ in Notre-Dame

Paris, am 24. Dezember 2024: Man kann sich die Freude der Pariserinnen und Pariser kaum lebhaft genug ausmalen, wenn an diesem Heiligabend in Notre-Dame endlich wieder Christmette gefeiert werden darf. Wieder werden die Messdiener, Priester und Bischöfe mit dem Evangeliar über ihren Häuptern im Mittelschiff einziehen – im renovierten Innenraum der Kathedrale, wiedererstanden aus der Katastrophe. Und so viele Diskussionen es auch um die neue, viel hellere Gestaltung gegeben haben mag, so sehr auch die kritische Journaille von Paris das Design eines „Luxushotels“ im glatten, schönen Inneren angeprangert hat – sobald die Gläubigen in das „Adeste, fideles“ einstimmen, ergreift der Glaube wieder Besitz von dem Kirchenbau, der genau dafür vor 800 Jahren errichtet wurde. Vor sechs Jahren ist das „Adeste, fideles“ zum letzten Mal im Gottesdienst unter diesen Gewölben erklungen, angestimmt von den Sängerinnen und Sängern der Kathedrale Notre-Dame. Damals konnte keiner ahnen, dass es das letzte Weihnachten vor dem großen Brand sein würde. Im Video ist dieser Moment festgehalten: der Beginn der letzten Chtistmette im alten Notre-Dame.

Adeste fideles, 24. Dezember 2018 in Notre Dame de Paris
https://www.youtube.com/watch?v=friMTRcnj9s

„Adeste, fideles“ im Petersdom

Rom, am 24. Dezember 2024: Papst Franziskus öffnet die Heilige Pforte zum Petersdom und eröffnet damit das Heilige Jahr 2025, das „Gran Giubileo“. Die römisch-katholische Kirche hat den besonderen Segen dieses Jahres vielleicht noch nötiger als die Gläubigen, angesichts der Missbrauchsfälle, der bürokratischen Kälte so mancher Reformmaßnahmen und der Zusammenlegung der Kirchengemeinden. Das Bayerische Fernsehen überträgt live ab 19 Uhr – auch den feierlichen Einzug der Messdiener, Priester, Bischöfe und Kardinäle zu Beginn der Christmette unter den Klängen des „Adeste, fideles“, gesungen von der Cappella Sistina. Wieder werden Tausende von Gläubigen in San Pietro und Millionen von Gläubigen an den Bildschirmen, Computern und Mobilphonen rund um den Erdball mit dabei sein – wie an jenem 6. Januar 2020, wo man im letzten feierlichen Pontifikalamt vor Ausbruch der Pandemie in Italien noch ganz sicher, maskenlos und voller Inbrunst das „Adeste, fideles“ mitsang. Möge der Herr uns vor einer weiteren Pandemie bewahren – das werden im Heiligen Jahr wohl viele Gläubige beten, die als „Pilger der Hoffnung“ den Weg durch die Heilige Pforte in den Petersdorm suchen.

Adeste fideles, 6. Januar 2020 im Petersdom in Rom, Cappella Sistina
https://www.youtube.com/watch?v=EqNOMDCwGC4

„O Come, All Ye Faithful“ in Westminster Abbey

London, am 24. Dezember 2024: Wenn die Londoner in Westminster Abbey voller Inbrunst das „Adeste, fideles“ in englischer Übersetzung anstimmen, wird es ihnen wohl kaum bewusst sein, dass es ausgerechnet ein englischer Exilkatholik war, der dieses Lied im Frankreich des Jahres 1751 zuerst aufgeschrieben hat: John Francis Wade. Im Zuge der Säuberungen nach der Rebellion von „Bonnie Prince Charlie“ und seinen jakobitischen Schotten hatte er England verlassen müssen und schrieb Text und Musik des Liedes 1751 im französischen Douai nieder. Ob er auch der Dichter und Komponist war, ist nach wie vor ungeklärt. Manche halten den portugiesischen König João IV. für den Dichter, andere entgegnen, dass der Beiname „portugiesisches Lied“ nur darauf zurückzuführen sei, dass es in der portugiesischen Kapelle in London zum Repertoire gehörte und sich von dort aus über England verbreitet habe. Der Historiker Bennet Zon, Professor an Durham University, hat die These aufgestellt, dass der gesamte lateinische Text eine Metapher für den Thronanspruch der katholischen Stuart-Dynastie sei und von John Francis Wade als solche niedergeschrieben wurde. Das wäre für die frommen Engländer im Reich Charles‘ III. dann doch eine zu große Provokation. Sie glauben lieber an das vom Musikverleger Vincent Novello verbreitete Gerücht, der englische Organist John Reading habe das Lied schon im 17. Jahrhundert komponiert. Was so aufrecht und majestätisch von der Begrüßung des Heilands auf Erden handelt, kann nur ein anglikanischer Engländer geschrieben haben …

Adeste fideles, 24. Dezember 2013 in Westminster Abbey London
https://www.youtube.com/watch?v=l1wHyMR_SCA