Papstgeschichten
Die Nachricht vom Tod des Heiligen Vaters hat auch das letzte Osterkonzert der Villa Musica überschattet. Papst Franziskus liebte Mozart, Bach und Beethoven – eine musikalische Erinnerung.
Beethoven und Zampognari
Eine musikalische Erinnerung an Papst Franziskus
von Karl Böhmer
Zwischen all den Würdigungen des großen Menschenfreundes Papst Franziskus, des Mahners für Frieden und Nachhaltigkeit wird eine Seite des Menschen auf dem Stuhle Petri derzeit kaum einmal erwähnt: seine Liebe zur Musik. Deshalb seien hier ein paar persönliche Erinnerungen an Franziskus zusammengetragen – an einen Papst, der die Menschen so begeistern konnte, weil er sie liebte, und sicher auch, weil er die Musik im Herzen trug.
Freude an der Musik und den Menschen
Der Heilige Vater konnte sich an jeder Art von Musik freuen, besonders an den Menschen, die sie machten. Das war bei den Generalaudienzen zu erleben, wenn ihn afrikanische Rhythmen in der Audienzhalle ebenso begeisterten wie eine italienische Banda oder ein Kirchenchor aus den USA. Wie musikalisch diese Audienzen waren, wissen die Pilgergruppen, die es erlebt haben. Nach der Eröffnung des Anno Santo della Misericordia am 8.12.2015 unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen entspannte sich die Stimmung bei der Audienz am Folgetag sicht- und hörbar. Die römische Sonne hüllte den Petersplatz in Glanz und Wärme – eine wundersame Frühlingsaudienz im Freien mitten im Dezember. Nach der Audienz ging Franziskus durch die Reihen der behinderten Menschen, sprach mit ihnen und segnete sie. Dazu spielten zwei Zampognari auf Schalmei und Dudelsack die üblichen römischen Weihnachtsweisen. „Tu scendi dalle stelle“ wurde zum ersten Lied des Heiligen Jahres der Barmherzigkeit – angesichts der seltenen Auftritte dieser Hirtenmusikanten im lauten Rom von heute ein Geschenk.
Bei der ersten Generalaudienz im Januar 2025, wieder zu Beginn eines Heiligen Jahres, wurde Papst Franziskus mit dem Auftritt des All African Circus beschenkt: Akrobaten aus vielen afrikanischen Ländern zeigten in den unterschliedlichsten Disziplinen ihre unglaublichen Kunststücke. Zwei Elefanten, dargestellt von Akrobaten im Elefantenkostüm, hatten es dem Heiligen Vater besonders angetan. Noch lag die schwere Zeit seiner letzten Krankheit vor ihm, und sein Lachen war herzlich und ungezwungen. Die afrikanischen Rhythmen und Gesänge vorne auf dem breiten Podium der Audienzhalle erinnerten auch daran, dass die afrikanischen Gemeinden in Rom eine starke Stimme im Vatikan haben. Die Welt der Kirche ist unter Papst Franziskus auch musikalisch viel weiter geworden.
Klassische Vorlieben
Über seine Vorlieben in der klassischen Musik sprach Papst Franziskus 2021 mit dem Jesuitenpater Antonio Spadaro, dem Direktor der Zeitung Civiltà Cattolica: „In der Musik liebe ich natürlich Mozart. Dieses Et Incarnatus est aus seiner c-Moll-Messe ist unübertrefflich: Es führt zu Gott! Ich liebe Mozart in der Interpretation von Clara Haskil. Mozart erfüllt mich: Ich kann es nicht denken, ich muss es fühlen. Ich höre gerne Beethoven, aber auf prometheische Art. Und der prometheischste Interpret ist für mich Furtwängler. Und dann Bachs Passionen. Das Stück von Bach, das ich so liebe, ist „Erbarme Dich“, die Klage des Petrus aus der Matthäus-Passion. Erhaben! Auf einer anderen, nicht ganz so intimen Ebene liebe ich Wagner. Ich höre es gerne, aber nicht immer. Furtwänglers Ring-Tetralogie, aufgeführt 1950 an der Scala, ist für mich das Beste. Aber auch der 1962 von Knappertsbusch aufgeführte Parsifal."
Die Liebe zu Mozart und Bach teilte Franziskus mit seinem Vorgänger Benedikt XVI., von dem ihn sonst so Vieles trennte. Die Liebe zu Beethoven wurde ihm in die Wiege gelegt, wurde Jorge Maria Bergoglio doch auf den Tag genau 166 Jahre nach dem Bonner Meister in Buenos Aires geboren. Beethoven und Bergoglio teilten den Geburtstag (zumindest, wenn man der wahrscheinlichsten Theorie über Beethovens Geburtstag folgt).
Francesco in der Discoteca
Für seine spontanen Ausflüge in die Stadt Rom, um hier eine neue Brille zu kaufen, dort einen Besuch abzustatten, war Papa Francesco berühmt und (im Vatikan) berüchtigt. Eines schönen Januar-Abends – genauer gesagt am Dienstag, 11. Januar 2022, gegen 19 Uhr – tauchte der kleine PKW des Pontifex plötzlich vor einem CD-Laden seitlich am Pantheon auf, der Discoteca al Pantheon. Für die Pächter dieses einzigen Spezialgeschäfts für klassische CDs in Rom eine riesige Freude, aber keine ganz große Überraschung: „Der Heilige Vater ist ein leidenschaftlicher Musikliebhaber und war schon vor Jahren unser Kunde, als er noch Kardinal war und durch Rom kam. Danach haben wir ihn natürlich nie wieder gesehen. Und jetzt kam er zu uns, um Hallo zu sagen", verriet der Betreiber des Ladens dem Corriere della Sera. Das Album, das Franziskus auswählte? „Es ist ein Geschenk von uns an ihn, eine Schallplatte mit klassischer Musik …“ Mehr war über den Inhalt der Silberscheibe nicht zu erfahren, die der Papst, noch mit FFP2-Schutzmaske ausgestattet, aus dem Laden trug, als Dutzende von verdutzten Touristen ihre Kameras auf ihn richteten.
Musik im Gottesdienst
Wenn die Musik der Papstgottesdienste die Messlatte für ein Pontifkat ist, waren die großen Messen im Petersdom unter Franziskus an Schlichtheit nicht zu übertreffen. Gregorianischer Gesang, ein paar Kirchenlieder, ein Bachsches Orgelstück zur Kommunion – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Konzentration auf das Wort Gottes und die Liturgie stand im Vordergrund. Das hatte auch schon sein Vorgänger so gehalten, konnte aber der bayerisch barocken Vorliebe für Zeremoniöses doch nicht ganz abschwören. Da spielten die Bläser des Vatikan schon mal aus der Kuppel des Michelangelo in die Tiefe des Petersdorms hinab, während die Regensburger Domspatzen regelmäßig in der Sixtinischen Kapelle ihre Aufwartung machten – etwa mit Mozarts c-Moll-Messe und dem Incarnatus, das auch Francesco so liebte. Die Lieblingsmusik von Papst Franziskus in der Sixtinischen Kapelle war eine ganz andere: das Geschrei der kleinen Kinder, die hier am Fest Taufe des Herrn in seiner Anwesenheit das Sakrament der Taufe empfingen. Nicht zufällig fragte Franziskus die Pilger beim Angelus und bei Audienzen so häufig nach ihrem Taufdatum: Mit der Taufe begann für ihn eigentlich das Leben, und deshalb war ihm dieses Kindergeschrei die schönste Musik auf Erden.